Shorinji Ryu ist japanisch. Sho bedeutet "Klein", Rin "Wald", Ji "Tempel" und Ryu "Schule". Im Chinesischen steht Shaolin für das japanische Shorin.
Shorinji Ryu bedeutet also: „Die Schule im Tempel, beim kleinen Pinienwald“.
Die Bezeichnung der Schule mit japanischen Schriftzeichen ist damit zu erklären, dass Richard Kim seit 1939 Mitglied der ehrwürdigen Dai Nippon Butoku Kai (Kyoto/Japan) war. Der Eintrag seiner Schule in das Register der DNBK im Jahre 1957 machte eine Orientierung auf die Schwerpunkte der japanischen bzw. okinawanischen Künste unausweichlich.
Was bedeutet Shorinji Ryu?
Diese Frage zu beantworten bedarf weit mehr als die Aussage, dass es sich hier um das Traditionelle Karate Do, Okinawa Kobudo, Kenjutsu sowie Tai Chi Chuan handelt.
Diese Aussage scheint angesichts der mannigfaltigen Angebote dieser Künste äußerst spärlich und irreführend.
Zunächst sollten wir das Shorinji Ryu, gegründet von Hanshi Richard Kim (1917-2001), nicht als Stil, sondern als Schule bezeichnen.
In der Regel handelt es sich bei einem Stil um eine durch einen Großmeister auf seinem Wissen basierende Entwicklung einer Kampfkunst, welche er unter einem neuen Namen an seine Schülerinnen und Schüler weitergibt. Er verändert z.B. Kata nach seinen Interessen und Vorlieben, was durchaus legitim ist. Etwas anders jedoch ist das Shorinji Ryu zu verstehen. Richard Kim war nach seiner Budophilosophie offenbar nicht in der Lage, einen neuen Stil zu gründen. Vielmehr war es sein Ziel, dass Gelernte, die Kunst, zu konservieren.
Natürlich hatte er seine Persönlichkeit, sein weitreichendes Wissen um andere Kampfkünste in die Schule eingebracht, jedoch ohne jeglichen Eingriff in die Kata/Tao (Karate, Kobudo/Tai Chi) der Künste. Als Beispiel für die Konservierung von Kata, nenne ich gerne die Karatekata Wanshu. Richard Kim lehrte drei Versionen dieser Kata, die deutlich die Merkmale ihrer Herkunft aufweisen. Nämlich die chinesische, okinawanische und die japanische. Eigentlich wäre es ein Leichtes für ihn gewesen, nur noch seine liebsten Kata weiterzugeben oder gar eine Kata aus dreien zu entwickeln.
Dies war jedoch – zum Glück – nicht der Fall. Er nutzte sein Wissen über diese Kata, um seinen Schülerinnen und Schülern das Studium der Kampfkünste zu ermöglichen.
Für Richard Kim war es ein Lebenstraum, eine Universität für Kampfkünste zu gründen. Unmöglich schien es für ihn die chinesischen Künste von den okinawanischen oder gar japanischen zu trennen oder sie miteinander zu einer Kunst zu verschmelzen.
Er war sich darüber bewusst, dass die Quelle seiner erlernten Kampfkünste unweigerlich mit den chinesischen, inneren Künsten verbunden war. Hierzu zählten im wesentlichen das Pa Kua, Hsing ch'i chuan, Tai Chi Chuan, Chi Kung und die Meditation. Nach dem intensiven 34-jährigen Praktikum verschiedenster Kampfkünste entschloss er sich im Jahre 1957, seine Schule des Shorinji Ryu zu gründen.